Wintertag am Rhein
Leise fließt der Strom. Der Tag steht still.
Und Bäume recken ihre dürren Äste
stumm in den Himmel hoch. Es ist das Beste
was jetzt zu tun bleibt. Möwen kreischen schrill.
Langsam fließt der Tag. Ganz ohne Ziel.
Und Vögel sitzen auf geknickten Zweigen
stumm frierend aufgereiht. Nur manche neigen
noch einmal ihren Kopf. Als sei dies schon zu viel.
Eis säumst unsern Weg. Die Luft ist kalt.
Und Menschen strecken ihre steifen Hände
stumm nacheinander aus. Es ist das Ende
geteilter Einsamkeit. Und wir werden alt.
Sommertag, nachmittags
Die träge Sommerhitze
hält die Vögel in der Hecke
und schmilzt den Tag dahin.
Gedanken mäandern
die schrumpfenden Eiskugeln entlang,
bis sie in der Mittagsglut versickern.
Schweißdiamanten,
ein Sommerdiadem um deine Stirn,
alltagsvergessen im Liegestuhl.
Entfernt eine Ahnung der Abenddämmerung.
Langsam zerschmelzende Zeit
und doch ein Augenblick ewiger Zweisamkeit.
Die "Alltagsballaden" nehmen sich ein großes literarisches Werk zum Vorbild und machen etwas ganz Eigenes, Modernes daraus. Zwei Beispiele stehen hier. Viel Spaß beim Neuentdecken der alten Klassiker!
Neulich auf dem Kinderkarussell
Wer reitet so spät noch im Kreis umher?
Die Antwort darauf fällt wohl jetzt nicht mehr schwer:
Ein Knabe sitzt auf dem Karussell
Es dreht sich quietschend, es dreht sich schnell –
Vater, was birgst du so bang dein Gesicht? –
Als Knabe reitet man eigentlich nicht!
Ich hoffe, du reitest den letzten Ritt! –
Ach Vater, so komm doch und reite doch mit! –
Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel ich mit dir
Lass uns Ritter sein oder wilde Piraten
Deine Knabenträume müssen nicht länger warten.
Lass doch die Pferde, schau Mädchen hinterher! –
Die mag ich nicht. Andre Knaben jedoch sehr
Welch wallendes Haar hat mein Freund Siegmund. –
Jetzt ist aber gut, Sohn! Halt endlich den Mund!
Herunter nun von diesem Pferderücken
Kann dich denn jetzt nur noch Weibskram entzücken? –
Ja Vater, kämmen und schminken ist schön
Und in langen Kleidern spazieren gehn. –
Mir reicht es, jetzt werd ich das Mannsein dich lehren
Und wehe, du wirst dich danach noch beschweren!
Los Meister, treibe dein Karussell
Auf höchste Geschwindigkeit, los doch, mach schnell!
Du sollst lernen ein Kerl zu sein, und zwar recht bald
Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!
Jetzt kämpfe und fall nicht vom Pferde herunter
Ich erwarte dich tapfer, siegreich und munter! –
So fliegt der Knabe im Kreis herum
Doch als fortgeschritten die Dämmerung
Da hat er gelernt für heute genug
Und der Vater beendet den Selbstbetrug
Nun dann eilt er nach Hause geschwind
Er hält in den Armen das ächzende Kind –
Vater, ich weiß, du wirst gleich wieder motzen
Doch jetzt ist mir schlecht. Tut mir leid, ich muss kotzen.
Protestgedicht gegen ungerechtfertigte Fernsehgebühren
Bedecket das Programm, ihr Sender
mit Scham!
Und übt erstmal,
im stillen Kämmerlein
bevor ihr uns mit eurem Müll verstrahlt!
Müsst mir mein Heim
doch lassen stehn
und meine Bücher
die ihr nicht geschrieben
und mein Weib
um deren Kurven
ihr mich beneidet.
Ich kenne nichts Ärmeres
unter der Sonn' als euch Sender.
ihr nähret kümmerlich
von GEZ-Gebühren
und Telefongewinnspielen
eure Majestät
und darbtet, wären
nicht dumpfe Konsumenten
hoffnungsvolle Toren.
Da ich ein Kind war,
nicht wusst', wo aus, wo ein
kehrte mein verirrtes Aug’
zum Fernsehapparat, als wenn darinnen wär'
ein Ohr, zu hören meine Klage,
ein Herz wie meins,
sich des Bedrängten zu erbarmen.
Wer half mir wider
der Geschwister Übermut?
wer rettete vor Langeweile mich,
vor Hausaufgaben?
Hast du's nicht alles selbst vollendet,
heilig glühend Herz?
Und glühtest, jung und gut,
betrogen, Rettungsdank
dem Fernsehapparat?
Ich bezahlen? Wofür?
Habt ihr die Schmerzen gelindert
je des Beladenen?
Habt ihr die Tränen gestillet
je des Geängstigten?
Hat nicht mich zum Manne geschmiedet
die allmächtige BRAVO,
und Wein, Weib und Gesang,
meine Herrn und eure?
Wähntet ihr etwa,
ich sollte das Leben hassen
in eure Welten fliehn,
weil nicht alle meine Knabenmorgen-
Blütenträume reiften?
Hier liege ich mit meinem Weibe
forme Menschen nach meinem Bilde
ein Geschlecht, das mir gleich sei,
zu leiden, weinen
genießen und zu freuen sich,
und nicht zu bezahlen,
wie ich.
Reise nach Süden
Italienische Luft zwischen Meeresblicken
Du rührst verwegen in Deinem Kaffee
Bläst kleine Kreise ins duftende Schwarz
Unter uns: Schaukelnde Boote und glitzernde See
Italienische Nächte in dunklen Tavernen
Du tanzt verwegen, dann tanze ich auch
Dein lachender Mund formt die Lieder, die klingen
Über uns: Blitzende Lichter und beißender Rauch
Italienische Liebe in Purpurbetten
Du wirfst dich verwegen um mich herum
Gibst Küsse von seltsam entrückter Ferne
Zwischen uns: Ungesagtes – und wir bleiben stumm
fort
nach hemmungslosen nächten
und wilden tagen
bist du nun fort
und es ist mir eine leere...
Über den Winter
Der Tag neigt sich dem Ende zu
Und du dich zu mir hin
Die Welt kommt draußen nicht zur Ruh'
Es lodert Feuer im Kamin
Aus unsern Tassen dampft es heiß
Um uns schwebt Kerzenduft
Die Felder hüllen sich in weiß
Ums Haus pfeift Winterluft
Der Sturm wirft sich auf unser Dach
Dein Kopf auf meinem Arm
Noch lange sind wir beide wach
Sanft halten wir uns warm
Was kümmert's uns, was draußen wird
Denn du hast schließlich mich
Sind lange durch die Welt geirrt
Und ich hab endlich dich
Der Tag neigt sich dem Ende zu
Und du dich zu mir hin
Die Welt dort draußen kommt zur Ruh'
Es lodert Feuer im Kamin.
Herbstgedanken
Zu einer Zeit
In der die Sonne nachgiebig wird
Und mit großen Herzen ihre Strahlen verschenkt
Kleiden sich die Blätter damit voller Stolz
In ihr neues, goldgelbes Gewand.
Scheinheiliges Geschenk!
Das sie besser nicht angenommen hätten.
Sie bereuen spätestens beim
Fall auf frostklirrenden Boden.
aber er hatte alles versucht
er kaufte sich ein schwein
und wartete auf sein glück
(er hatte von diesem trick gehört)
er wartete
bis er alt war und schwach
als aber das glück nicht kam
bis zum ende seines lebens
da schlachtete er das schwein
aß es auf und hoffte
dass es den anderen schweinen
eine lehre war
vielleicht
ich habe noch gedanken irgendwo
aus dem letzten jahr
kaum gebraucht
und so gut wie neu
ich krame sie hervor
wenn du magst
aus dem alltagsmüll
sie müssen noch irgendwo sein
vielleicht kannst du ja
etwas anfangen damit
ich schenke sie dir gern
für mich waren sie irgendwie immer
zu unbequem.
wortbauer
ich ziehe mit meinen worten furchen
durch den acker deines gemüts
zwischen den zeilen
säe ich ein
was auch immer
daraus erwachsen mag
wenn die schwarzen zweifelkrähen
nicht wieder vorher alles
herauspicken